Jiaxi Han

Im Südosten Chinas erzählen die Mythen des Volkes der Miao und der Buyi, dass sie früher eine Schriftsprache hatten, diese jedoch verloren haben.

May you resist (Du mögest widerstehen), 2022-2024, Bienenwachs auf Baumwolle, indigo-gefärbt
Jiaxi Han, *1993 in der Region Guizhou, Südwest China, lebt und arbeitet zwischen Zürich, Guizhou und Hong Kong

Foto: ©Daniela Derungs
Ausstellung Fusiugnomias

Heute weben Miao und der Buyi Stoffe, zeichnen komplexe Muster mit Bienenwachs darauf und färben sie anschliessend ein. Dort, wo das Wachs den Stoff bedeckt, bleibt dieser ungefärbt. Die Muster, dieser Technik - Batik genannt - sind ihre Art, Beobachtungen in der Natur, Wünsche, Familiengeschichten oder ihre Migrationsgeschichte niederzuschreiben.

Jeweils am Abend nach der Arbeit treffen sich die Frauen, meist Bäuerinnen, um zu plaudern, etwas Kleines zu essen und an den Stoffen zu arbeiten. Eine Tracht mit den Mustern zu bemalen, dauert bis zu einem Jahr, oft noch länger. Die Kleidungsstücke sind in vielen Fällen die einzigen Wertgegenstände ihrer Besitzer.

Heute zeigt sich ihr Wert für die Miao und Buyi auf besondere Weise, weil der Verkauf der traditionellen Stoffe an Touristen den gleichen Lebensstandard sichert, wie der von Fabrikarbeitern in der Stadt. Das ermöglicht ihnen zu ihren Wurzeln aufs Land zurückzukehren, die Häuser der Vorfahren wieder aufzubauen und ihre Kultur und Traditionen zu erhalten.

Jaxi Han erforscht in ihrem Kunstschaffen die Muster und Symbole, die über Generationen entwickelt wurden, führt diese weiter, verbreitet das Wissen um ihre Kultur und führt eine Schule in ihrer Heimat, der Region Guizhou. Die Schreib- und Lesarten der Symbole sind individuell, was viel poetischen Interpretationsspielraum lässt. Für Han bedeuten die Stoffe vor allem Wertschätzung - für den Stoff, die Farben, die Muster, die Hingabe bei der Herstellung, die Tradition und das Wissen, die Niedergeschriebenen Geschichten und die Menschen, die dahinterstehen.

«Was mich berührt, ist, dass die Menschen, die in meiner Heimatstadt Kunsthandwerk betreiben, meist Bauern sind, die nicht zur Schule gegangen sind, aber wunderschöne Batik herstellen können. Das bringt mich dazu, darüber nachzudenken, was Kunst und Schönheit wirklich sind. Sie besitzen eine raffinierte Technik und komplexe Muster. Heutzutage müssen Künstler zur Schule gehen, aber die Kunst der Dorfbewohner entspringt dem gewöhnlichen und einfachen Leben, und ich bin berührt von der Vielfalt und Schönheit der Muster.»

Autor: Marco Coray

Weiter
Weiter

Andrea Todisco