Ursula Palla
Der Calanda hat Ursula Palla schon immer beeindruckt, und bereits als Kind nahm sie darin die Spannungsfelder wahr, die sie heute in ihrem Kunstschaffen aufgreift.
Kraut Unkraut, 2022, Bronze patiniert
Ursula Palla, *1961 in Chur, lebt und arbeitet in Zürich
Foto: ©Daniela Derungs
Ausstellung Fusiugnomias
Von weitem wirkte der Berg abweisend, bedrohlich, wurde teils als hässlich verrufen. Dennoch spürte sie eine besondere Verbundenheit zu ihm, und die Artillerieübungen der Schweizer Armee in seinen Felswänden entsetzten sie. Aus der Nähe gibt es einiges zu entdecken. So zeugen zum Beispiel Kohlefundstücke von einem Brand, der den ganzen Berg erfasst hatte.
Aus einer sehr naturnahen Familie stammend, lernte Palla viel von ihren Eltern und Grosseltern in deren jeweiligen Fachgebieten. Auf häufigen Wanderungen durch die Bündner Berge gaben sie ihr Wissen über Flora und Fauna, Heilpflanzen und Geologie an sie weiter.
In diesem Spannungsfeld zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos, abweisend und hässlich aus der Ferne, lebensfreundlich und faszinierend aus der Nähe, reflektiert Palla den Umgang mit der Natur und die Notwendigkeit ihres Nutzens. Dabei stellt sie die Existenzberechtigung der Natur infrage, die allein auf ihrer Wertschöpfung für den Menschen basiert. Diese Frage greift Palla beispielhaft in Kraut Unkraut auf. Die in Bronze gegossenen Dornenzweige bilden eine Antithese zu Claude Monets Garten in Giverny.
Monet schuf mit seiner Gartenanlage ein romantisches Ideal der Natur, das ohne aufwendige Pflege in dieser Form nicht bestehen würde. Im Winter, wenn der Garten für Besucher geschlossen ist, ragen nämlich wild wuchernde Dornenbüsche aus dem Schnee. Obwohl die Pflanzen oft als hässlich verrufen sind, ist es schwer, sich der Ästhetik der Bronzegüsse zu entziehen. Die feingliedrigen Blättchen, Dornen und die Astoberfläche sind erstaunlich detailliert gearbeitet.
Palla erschuf für sich einen ewigen Garten, der dem Idealtypus entgegenläuft, und goss verschiedene Arten von Dornenbüschen in Bronze. Bei genauer Betrachtung bieten die abweisenden und verletzenden Dornenbüsche Lebensraum und schützende Brutplätze für kleine Tiere. Zudem sind sie Pionierpflanzen, die überdüngten Boden erst fruchtbar machen und so die Grundlage für schönere, nützlichere Pflanzen schaffen.
Autor: Marco Coray